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Andauernde Kriminalisierung der Palästina-Solidarität in Deutschland

Die deutsche Politik wurde im letzten Monat von Aufrufen zu weiteren Repressionen gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung überschattet.

Die Spitze des Eisbergs war das Verbot des palästinensischen Gefangenennetzwerks Samidoun sowie der Hamas am 2. November. Der Bundestag hatte einstimmig – von rechts nach links –  im Monat davor das Verbot beschlossen. Unter dem Vorwand der “Bekämpfung des Antisemitismus” verbot das sozialdemokratisch geführte Innenministerium beide Gruppen und kündigte an, nun sehr schnell zu handeln. Im Klartext heißt das: Entzug von Aufenthaltsgenehmigungen, Hausdurchsuchungen und Abschiebungen.

Der Verbot wurde festgelegt kurz nachdem die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärt hatte, sie sei gegen einen Waffenstillstand in Gaza, da Israel sich gegen den Terrorismus verteidigen müsse. Laut Baerbock sind die über 10.000 ermordeten Palästinenser innerhalb des letzten Monats der “Kollateralschaden” für Israels “Recht auf Selbstverteidigung”.

Wenn das Leiden der Palästinenser erwähnt wird, ist das nur eine Fußnote, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck in einem zehnminütigen Video veranschaulichte. Darin warnt Habeck vor dem wachsenden Antisemitismus, der seiner Meinung nach sowohl unter Islamisten als auch unter “jungen linken Aktivisten” verbreitet ist. Er fordert Muslime in Deutschland auf, eine klare Haltung der Solidarität mit Israel einzunehmen und propagiert sogar, dass Muslime in Deutschland von Saudi-Arabien lernen sollten, das seine Beziehungen zum zionistischen Staat ausgebaut hat.

Anstatt sich auf den Aufstieg der AfD (Alternative für Deutschland) zu konzentrieren, die 83 Sitze im Parlament hat und in einigen Teilen Deutschlands über 20 % erreicht sowie auf die Gefahren, die von ihren faschistischen Positionen ausgehen, argumentiert Habeck, dass es die internationale “Fridays for Future” Bewegung sei, die Antikolonialismus als Vorwand für Antisemitismus benutzt.

Erst gestern erklärte der bayerische Ministerpräsident, dass diejenigen, die wegen “Antisemitismus” verurteilt werden, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden sollte. Unter “Antisemitismus” meint Söder nicht den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der in den 1980er Jahren antisemitische Flugblätter zu verbreiten, die die Opfer des Holocausts verhöhnten. Noch vor einem Monat stellte sich Söder hinter Aiwanger und sagte, er werde sein Amt als Wirtschaftsminister behalten.

Das Narrativ des “importierten Antisemitismus” wird seitens der deutschen Regierung genutzt, um ihr bereits sehr restriktives Asylsystem zu verschärfen sowie weitere Abschiebungen zu rechtfertigen. Die Regierung hat nun einen neuen Plan zur weiteren Kriminalisierung von Migration vorgelegt. Die regierende Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich darauf verständigt, die Grenzkontrollen zu Nachbarstaaten wie Polen und Tschechien zu verstärken, um Menschen sofort zurückschicken zu können.

Der neue Plan umfasst auch Maßnahmen zur schnelleren Abschiebung von Asylbewerbern:

“Asylverfahren für Staatsangehörige von Ländern, bei denen die Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, sollen schneller als bisher abgeschlossen werden. Ziel ist es, ihre Asyl- und anschließenden Gerichtsverfahren innerhalb von drei Monaten abzuschließen. In allen anderen Fällen sollen die Asylverfahren in der Regel nach sechs Monaten abgeschlossen sein.”

Gleichzeitig werden die monatlichen Zahlungen für Asylbewerber gekürzt und Sachleistungen eingeführt:

“Bund und Länder wollen Zahlungskarten für Flüchtlinge einführen, mit denen sie bargeldlos Waren des täglichen Bedarfs kaufen können. Damit würde die Möglichkeit von Asylbewerbern eingeschränkt, Geld in ihre Heimatländer zu überweisen, was mitunter als Anreiz zur Flucht nach Deutschland gesehen wird.”

Darüber hinaus plant die deutsche Regierung weitere “Migrationsabkommen” mit anderen Ländern, um Menschen schneller abschieben zu können, während sie gleichzeitig Geflüchtete dazu zwingen will, in “Drittstaaten” Asyl zu beantragen. Diese neuen Pläne der deutschen Regierung, Migration weiter einzuschränken, können nur im Zusammenhang mit der monatelangen Kampagne der deutschen Medien und der deutschen Politik gesehen werden, die Palästinenser, Araber und Muslime als Bedrohung für die deutsche Demokratie darstellt, die mit Konsequenzen zu rechnen haben.

Mit Schlagzeilen wie “Die Barbaren sind unter uns”, die die “Integrationsunwilligkeit” arabischer Stadtteile in Berlin beschreiben, ist es den deutschen Medien gelungen, ein gemeinsames Feindbild zu schaffen: den unzivilisierten, antisemitischen arabischen Mann, der abgeschoben werden muss.

Während der deutsche Staat und die Medien rassistische Propaganda gegen Palästinenser und die pro-palästinensische Solidaritätsbewegung verbreiten, haben sich auch weite Teile der deutschen Linken auf die Seite des israelischen Siedlerkolonialismus und der ethnischen Säuberung Palästinas gestellt. Die reformistische Partei DIE LINKE zum Beispiel stimmte letzten Monat im Parlament zusammen mit der faschistischen AfD für das Verbot von Samidoun und Hamas.

Während Gaza bombardiert wird, rief DIE LINKE Ende Oktober zu einer pro-zionistischen Kundgebung in Berlin auf und beteiligte sich daran. Sie forderte, dass sich das Strafrecht härter eingesetzt werden müsse, um den Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen.

Das deutschlandspezifische Phänomen der “Antideutschen” (zionistische selbsternannte Linke) hat ebenfalls seinen Teil dazu beigetragen, die Hetze gegen Palästinenser und Palästina-Solidarität in Deutschland zu verstärken. Erst letzten Monat griffen pro-ethnische Säuberung Pseudo-Linke ein migrantisches Wohnprojekt an, zerschlugen dessen Fenster und warfen Gläser Schweinefett rein, weil das Wohnprojekt pro-palästinensische Positionen vertrat.  Kurz darauf wurde eine Massendemonstration, die am 4. November in Berlin stattfand, von der zionistischen pseudolinken Journalistin Amina Aziz im Vorfeld mit dem Argument diffamiert, dass eine Demonstration in Solidarität mit Palästina nicht mit dem palästinensischen Widerstand in Verbindung gebracht werden dürfe, da Hamas und PFLP angeblich “muslimische Faschisten” seien. Nach dieser Logik ist nur eine abstrakte Positionierung, die sich in keiner Weise mit dem tatsächlichen Widerstand gegen den Siedlerkolonialismus vor Ort in Palästina befasst, eine, die vielleicht geduldet werden könnte. Doch selbst Mahnwachen, bei denen bloß Kerzen für die in Gaza Getöteten auf den Boden gelegt wurden, sind von der Polizei verunglimpft und angegriffen worden.

Obwohl in den letzten Tagen in Deutschland nach wochenlangen Verboten wieder Pro-Palästina-Demonstrationen erlaubt wurden, werden auch diese als “islamofaschistisch”, “antisemitisch” und “gewaltverherrlichend” diffamiert seitens Politik und Medien. Das gilt auch für die Demonstration in Berlin am 4. November, die von der Jüdischen Stimme für Gerechten Frieden in Nahost mitorganisiert wurde und zu der Tausende von Teilnehmern mobilisiert wurden.

In diesem Kontext betonte Wieland Hoban, Mitglied der Revolutionären Linken und Vorsitzender der Jüdischen Stimme für Gerechten Frieden in Nahost, kürzlich in einer Rede: “Wir und insbesondere unsere palästinensischen Mitstreiter werden immer wieder angegriffen und diffamiert, aber gemeinsam sind wir stark und können nicht nur uns selbst, sondern auch anderen helfen. Daran sollten wir festhalten, egal wie dunkel es wird. Es ist eine dieser Stunden, in denen die Masken fallen und wir sehen, wer für Menschlichkeit steht und wer nicht. Das “Nie wieder” ist jetzt.”