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October 23, 2023Anhaltende Kriminalisierung der Palästina-Solidarität in Deutschland
Am 7. Oktober, startete die Hamas eine militärische Operation gegen Israel. Seitdem hat Israel einen genozidialen Angriff auf Gaza gestartet. Über 4.000 Palästinenser:innen wurden seitdem getötet, nachdem Israel vor fast zwei Wochen mit der Bombardierung von Gaza begann. Nachdem Israel am 17. Oktober das Al-Ahli Arab Krankenhaus bombardiert hatte und dabei Hunderte Menschen tötete, behaupteten israelische Regierungsvertreter, die Hamas habe das Krankenhaus selbst bombardiert.
Bei einem Besuch in Israel, um seine Solidarität mit dem Siedlerstaat zu zeigen, sagte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, in einem Interview: „Welchen Nutzen sollten die Israelis aus dem Angriff auf ein ziviles Krankenhaus ziehen?“ Das sei „völlig jenseits aller Vorstellungskraft“ und fügte hinzu: „Israel ist kein terroristischer Staat. Hamas ist eine Terrororganisation. Und deshalb muss man im Zweifel davon ausgehen, dass es tatsächlich eine fehlgeleitete Rakete war, die zu diesen tragischen Opfern geführt hat.“
Doch jeder, der sich ein wenig mit historischen Ereignissen auskennt, wird wissen, dass der israelische Staat seit seiner Gründung im Jahr 1948 auf ethnischen Säuberungen, Massakern wie dem in Deir Yasin und Landdiebstahl aufgebaut ist. Israel hat in der Vergangenheit Krankenhäuser, Häuser von Zivilist:innen und Schulen bombardiert, dies ist nicht das erste Mal.
Die von Israel angegebene Strategie besteht darin, den Gazastreifen von „Terroristen“ zu säubern. Da Palästinenser bereits aufgrund ihrer Existenz als Terroristen gelten, sieht der israelische Staat nun die Möglichkeit, Gaza vollständig von allen Palästinensern ethnisch zu säubern und sein siedlungskoloniale Projekt ein für alle mal zu finalisieren.
Sogar Reservisten der Armee wie Ezra Yachin wurden mobilisiert, um israelische Truppen zu „motivieren“. Yachin war an dem oben erwähnten Massaker von Deir Yassin beteiligt, bei dem zionistische Milizionäre von Haus zu Haus gingen und mehr als 100 Palästinenser:innen ermordeten. Yachin hat neulich dazu aufgerufen, Palästinenser:innen auszurotten, die, wie er sagte, als Tiere kein Leben verdienten.
Während Israel seine Bodenoffensive plant, war Bundeskanzler Olaf Scholz letzte Woche zu einem Staatsbesuch in Ägypten und Israel. In Ägypten lobte Olaf Scholz den Militärdiktator Abdel Fattah el Sisi dafür, dass er stets eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Israel und den Palästinensern gespielt habe und dass Scholz Sisi dafür großen Respekt schulde. Dass Sisi Ägypten seit über zehn Jahren als Diktator regiert, die Inhaftierung Tausender politischer Dissidenten oder das völlige Verstummen der politischen Opposition wurden von Scholz nicht erwähnt.
Der deutsche Staat konzentriert sich auf die Sicherung seiner imperialistischen Interessen im Nahen Osten und weigert sich daher, seine Beziehungen zu Ägypten durch Lippenbekenntnisse zu Menschenrechten oder der Freiheit politischer Gefangener zu gefährden.
Sisi selbst täuscht seine Unterstützung für die Palästinenser:innen vor indem er zum Beispiel einige Demonstrationen zugelassen, um Ägypter:innen die Möglichkeit zu geben, ihre Solidarität mit Palästina zu zeigen und ihre Wut nicht gegen den ägyptischen Staat zu richten. Gleichzeitig schlug er als „Lösung“ vor, die Palästinenser:innen in die Negev-Wüste statt in den Sinai umzusiedeln.
In Deutschland selbst waren die Medien und das politische Establishment in den letzten zwei Wochen in Aufruhr. Jede Nachrichtenagentur und jede große politische Partei, von rechts bis links, hat erklärt, dass Israel sich gegen den palästinensischen Terror verteidigen muss. Die Forderungen, „antisemitische“ Einwanderer und Flüchtlinge abzuschieben und denjenigen, die den Terrorismus unterstützen, die Staatsbürgerschaft zu entziehen, in diesem Fall ein Codewort des antikolonialen Widerstands, werden immer lauter.
Der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz sagte neulich: „Wenn Flüchtlinge aus Gaza kommen, sollten sie in die Nachbarstaaten gehen. Deutschland kann keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen, wir haben hier genug antisemitische junge Männer.“ Damit meinte er nicht die Faschisten der AfD oder gar die Rechtsextremen in seiner eigenen Partei, sondern muslimische und arabische Migranten, die in rassistischer und geschichtsrevisionistisch Mainer für einen „Importierten Antisemitismus“ verantwortlich gemacht werden.
Am Sonntag, den 22. Oktober, versammelten sich in Berlin die SPD, die Grünen, die FDP und die reformistische Linkspartei mit rund 3.000 Menschen zu einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Solidarität mit Israel. Ähnlich wie im Jahr 1914, als sich alle deutschen Parteien hinter die deutsche Kriegsmaschinerie stellten und die politischen Unterschiede zwischen rechts und links verwischt wurden, ist sich heute das deutsche politische Establishment, von rechts bis links, einig, dass Israels “Sicherheit” die deutsche Staatsräson ist.
Mit anderen Worten: Die Unterstützung des Völkermords, des Siedlerkolonialismus und der Apartheid ist die Staatsräson Deutschlands, während diejenigen, die gegen den Kolonialismus, gegen die Apartheid und gegen den Völkermord kämpfen, kriminalisiert und als „Terroristen“ dargestellt werden, die es zu inhaftieren und abzuschieben gilt.
Trotz des Verrats der reformistischen Linkspartei (DIE LINKE) durch der Unterstützung dieser rassistischen „Staatsräson“ und trotz des Rechtsrucks des gesamten politischen Establishments lassen sich Menschen, die sich mit Palästina solidarisieren, nicht davon abhalten, auf die Straße zu gehen in Deutschland.
Am 21. Oktober kam es in Berlin zu einer Demonstration mit 5.000 Menschen, die ein freies Palästina forderten. In Düsseldorf gingen am selben Tag 7.000 Menschen aus Solidarität mit Palästina auf die Straße. Obwohl die überwiegende Mehrheit der Demonstrationen verboten wurde, Demonstrant:innen von der Polizei gewaltsam verprügelt wurden und selbst wenn man einzeln mit einer Kuffiya oder einer palästinensischen Flagge auf der Straße ging, man verhaftet werden konnte, gab es bei den Demonstrationen, die nicht verboten wurden, viele hunderte bis tausende Personen. Trotz der schweren staatlichen Repressionen lassen sich Menschen der Palästina-Solidaritätsbewegung nicht mundtot machen und gehen weiterhin in ganz Deutschland auf die Straße.