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May 28, 2021Zwischen den Zeilen – Für einen revolutionären Standpunkt der Hamas
Mostafa Omar
24. Juli 2014
Dieser Artikel befasst sich nicht mit einer Antwort auf die „zionistischen Ägypter“. Sei es in Form der rassistischen Rechten wie Lamis Jabir, die fordert, dass Ägypten Israel in seinem barbarischen Krieg gegen das palästinensische Volk unterstützt und die Konfiszierung der finanziellen Mittel der in Ägypten befindlichen Palästinenser sowie ihre Abschiebung befürwortet. Ihr Rassismus ist von einer derartigen Unverblümtheit, dass er zwingend verurteilt werden muss. Oder sei es in Form des rechten Mitglieds der „Freien Ägypter“ Mohammad Zaki al-Shimi der schreibt Israel sei kein Feind Ägyptens. Und damit hat er Recht, betreffend die herrschende kapitalistische Klasse in Ägypten, die von den imperialen Interessen der USA abhängt, welche wiederum als Teil ihrer hegemonialen Position im Nahen Osten Israel als ihren größten Kettenhund zum Schutze amerikanischer Interessen in der Region und nicht als Feind Ägyptens betrachtet.
Auch befasst sich dieser Artikel nicht damit sich in die Diskussion einiger Teile der Linken innerhalb des ägyptischen Staates zu vertiefen. Diese erreichen einen neuen Tiefpunkt in ihrer Verteidigung der Illusion, dass die Herrschaft des „zivilen“ Militärs für Ägypten leichter sei als die der Islamisten. Sie behaupten das die Hamas – und sie ist die zentrale Kraft im palästinensischen Widerstand – eine „religiös-faschistische“ Bewegung sei und sich nicht unterscheide weder von religiös revisionistischen Bewegungen wie den Muslimbrüdern noch von extremistisch revisionistischen wie den Ansar Beit al-Maqdis, Jabhat an-Nusra oder dem IS.
Wir wollen mit diesem Artikel erklären wie wir als Revolutionäre handeln und analysieren sollten, die der Überzeugung sind, dass der Aufbau einer demokratischen Gesellschaft nur über den Kampf und die Organisierung der Ausgebeuteten und unterdrückten Massen funktioniert und dies als unser Ziel identifizieren. Wir wollen erklären wie wir islamistische Bewegungen, die Widerstand gegen revisionistische und imperialistische Regime leisten oder dies behaupten, verstehen und mit ihnen arbeiten können (genauso wie wir auch mit „zivilen“ Bewegungen kooperieren).
Hierbei konzentrieren wir uns besonders auf die Hamas, die den Widerstand in Palästina seit den 90er Jahren anführt, weil ihr Standpunkt sich mehrdeutig zwischen den wirklich revolutionären Kräften in Ägypten und jenen weltweit bewegt – und genau diese Unentschiedenheit ist es, die unseren Kampf gegen die revisionistischen, imperialistischen Regime schwächt.
Zu Anfang müssen wir unserer tiefsten Überzeugung Ausdruck verleihen, dass die Bewegung des revolutionären Wandels gegen das weltweite kapitalistische System nicht nur des internationalen Klassenkampfs gegen die ausbeutende Klasse bedarf, sondern auch der Kämpfe und Aufstände der Unterdrückten zur Erschütterung und Schwächung der internationalen kapitalistischen Ordnung. Seien diese nun verfolgte Minderheiten innerhalb eines Staates, wie beispielsweise die Christen in Ägypten und dem Irak oder die Schwarzen in den USA oder eben durch Imperialisten kolonisierte Völker wie die Palästinenser im Falle der arabischen Welt.
Aus dieser Perspektive betrachten wir den palästinensischen Kampf gegen Zionismus und Imperialismus (mit all seinen Fraktionen, die ihn führen und allen Vorbehalten eines jeden Revolutionärs ob deren Politiken) als einen Kampf der von Anfang an und bis heute eine zentrale Rolle in der Erschütterung des weltweiten kapitalistischen Systems spielt und Horizonte für eine Stärkung des Klassenkampfes in der arabischen Welt eröffnet, wie beispielsweise die palästinensische Intifada im Jahr 2000 die Zeit eines neuen Kampfes eingeläutet hat, die in Ägypten mit der Revolution dem 25. Januar endete.
Für einen revolutionären Standpunkt der Hamas
Auf dieser Seite stellten wir nie all die vielfältigen islamistischen Bewegungen in den unterschiedlichen Staaten zu unterschiedlichen historischen Begebenheiten gleich. Wir versuchen immer die islamistischen Bewegungen im Kontext ihrer geschichtlichen Entstehung, ihrer sozialen und Klassenzusammensetzung sowie ihrer politischen Ziele zu verstehen. Genauso wie wir auch immer versuchen zu analysieren, inwiefern diese Bewegungen Widerstand leisten gegen imperialistische und revisionistische Regime, sei es auch nur schwankend oder verzerrt erkennbar, oder ob sie am Ende rein revisionistische Bewegungen sind die zwar zuerst zu Kampf und Einheit der ausgebeuteten und Unterdrückten aufrufen, im Nachhinein aber dann doch nur den Zwecken imperialistischer Revisionisten dienen.
Ausgehend von unserem materialistischen Verständnis dieser islamistischen Bewegungen, ihrer Beziehung zu den Massen sowie zu den imperialistischen, revisionistischen Regimen haben wir unseren Standpunkt immer vor dem Hintergrund ihrer Vielfältigkeit definiert. Genauso haben wir unsere strategischen und taktischen Standpunkte gegenüber diesen Bewegungen immer angepasst je nach deren Entwicklungen, Zickzackkursen, ihrem Widerstand gegen Imperialismus beizeiten wie auch ihres Verrats an den Massen zu anderen Zeiten.
So betrachten wir beispielsweise eine islamistische Bewegung wie den IS in Syrien und dem Irak als revisionistische Bewegung, die im Kern durch ihren Rassismus und ihre Verbrechen gegen Schiiten und Christen die Idee einer Vereinigung der Unterdrückten – eine zwingende Notwendigkeit im Kampf gegen Diktatur und Kolonialismus – zur Schlachtbank führt. Deshalb stufen wir sie als eine Bewegung ein die zwingend den Interessen ebendieser Regime dient und verurteilen sie von diesem Standpunkt aus.
Wir unterscheiden zwischen dem IS als rein revisionistisch auf der einen und der islamistischen Hamas und Hisbollah auf der anderen Seite. Weil die beiden letzteren mit dem Ziel eines antikolonialen Kampfes entstanden sind und immer wieder in Konflikte und Konfrontationen mit den Zionisten für die legitimen Rechte des palästinensischen wie des libanesischen Volkes eingetreten sind.
Die Hamas gründete sich im Zuge der ersten Intifada Ende der 80er Jahre und erlangte schnell weite Popularität unter der palästinischen Bevölkerung aufgrund ihres ablehnenden Standpunktes betreffend die Konzessionen und Kapitulationen, die die Fatah dem zionistischen Feind und den Vereinigten Staaten gegenüber gemacht hat. Sowie wegen ihres militärischen Widerstandes gegen mehr als eine brutale, israelische Aggression gegen Gaza. Aus dieser Perspektive heraus betrachten wir sie als Widerstandsbewegung gegen Zionismus und Imperialismus.
Ausgehend von diesem Standpunkt unterstützen wir sie bedingungslos, wenn sie militärisch oder nicht militärisch gegen Israel vorgehen. Weil ebenjener Widerstand das zionistische Gebilde schwächt und die arabischen Regime wie auch die USA in Angst und Schrecken versetzt. Darüber hinaus stärkt er die Möglichkeiten eines Klassenkampfes in den arabischen Staaten gegen die imperialistischen Strukturen.
Nur weil unsere Unterstützung in dieser Hinsicht bedingungslos ist heißt, hieß und wird dies nie heißen, dass sie auch kritiklos geleistet wird. Letzten Endes sind wir der Überzeugung, dass die Strategie der Hamas im Kampf für die Freiheit Palästinas, wie auch die Strategie der Fatah und der palästinensischen Linken vor ihr schon, nie in der Lage sein wird Palästina wahrhaft zu befreien.
Die Strategie der Hamas in Bezug auf ihre Bindung an einige der revisionistischen arabischen und nicht-arabischen Regime (unter ihnen bis vor kurzem auch noch Ägypten), die ihre Bevölkerung unterdrücken und sich am Ende immer gemeinsam entschließen den palästinensischen Kampf zu ersticken (eben weil sie verstehen, dass die Heldenhaftigkeit und Standhaftigkeit der Palästinenser der antreibende Faktor für ihre eigene Bevölkerung ist und die natürliche Geburtshelferin eines Sieges der palästinensischen Sache die Revolution gegen ebendiese Regime ist). Diese auch schon seit den 60ern von der Fatah und der palästinensischen Linken genutzte Strategie wird Palästina nicht befreien. Anstatt sich mit den Kämpfen der arabischen Massen zu solidarisieren, die ein Interesse am Ende des Imperialismus haben, verfolgt die Hamas eine Kooperationsstrategie mit den Regimen, von denen wir nur zu gut wissen, dass sie mit den Zionisten und Imperialisten zusammenarbeiten.
Zweitens, trotz der außergewöhnlichen Heldenhaftigkeit der Kämpfer der Hamas – die tapfer noch jede israelische Aggression unter den unmöglichsten Umständen abgewehrt haben und deren Taten die Herzen von Millionen weltweit in Momenten der Niederlage des arabischen Frühlings mit Hoffnung erfüllten – ist das Verhalten der Hamas im Umgang mit den Massen von oben herab eine Vorgehensweise, die die Möglichkeiten eines Volkswiderstands, im Angesicht eines Feindes dessen todbringende Waffen Tag für Tag besser entwickelt werden, auf lange Sicht schwächt. Auf die gleichen Methoden stützten sich vor ihr bereits die palästinische Linke wie auch die Fatah im Umgang mit der Bevölkerung. Mittel die nur auf den bewaffneten Widerstand und den Gehorsam gegenüber der revolutionären Führung abzielen anstatt die Bevölkerung umfangreich in die Strategieentwicklung, Entscheidungsfindung und dadurch in den Widerstand mit einzubinden.
Eben aus diesem Grund heraus ist die Unterstützung der revolutionären Kräfte für die Hamas und den palästinensischen Widerstand sowohl bedingungslos als auch mit Kritik verbunden.
Aus der gleichen Logik heraus verurteilen wir, trotz unserer Unterstützung einer jeden Konfrontation mit Israel, den antirevolutionären Standpunkt gegenüber den arabischen Revolutionen, den die Hizbullah an der Seite des Schlächters Bashar al-Asad in Ägypten eingenommen hat.
Unsere Unterstützung für den palästinensischen Widerstand ist bedingungslos, weil ihr Kampf gegen den Zionismus ein Stachel im Fleisch des Imperialismus ist und weil das palästinensische Volk, und nur das palästinensische Volk, wie alle anderen kolonisierten Völker auch, das Recht hat sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ebenso hat es das Recht seine eigene Führung und Mittel des Widerstandes zu wählen, wie es sie für seine Umstände für angemessen hält.
Auch diese Unterstützung ist zwingend eine kritische da letzten Endes das Schicksal des revolutionären Wandels in der arabischen Welt und der palästinensische Widerstand untrennbar miteinander verbunden sind.
Es lebe der Kampf des palästinensischen Volkes – Licht der arabischen Revolutionen!